Nach Chile über den Paso Sico

In einem Tag wollten wir die von Pocitos ca. 70 km entfernte argentinische Zollstelle erreichen, die nächste "Wasserquelle" für uns. Es brauchte viel Energie wegen der zum Teil schlechten Strasse, war aber landschaftlich sehr reizvoll. Von weitem sahen wir schon die Zollstelle, aber es war erfahrungsgemäss schwierig, die Distanz abzuschätzen. Jedenfalls konnten wir in der Ferne einen schwarzen Punkt ausmachen, der uns näher zu kommen schien. Erst dachten wir, dass es ein Velofahrer sei. Nein, es war ein junger Argentinier, der sich am Strassenrand auf die Steine setzte. Als wir endlich bei ihm ankamen, stellten wir fest, dass er in Not war. Er stotterte mit ausgetrocknetem Mund mit weissen Rändern zu uns, er sei über 15 km in der Sonne zu Fuss gegangen. Sein Rucksack lag einige Meter entfernt auf der Strasse. Er war erschöpft, hatte zuwenig Wasser dabei und konnte nicht mehr weitergehen. Er bat uns, beim Zoll Hilfe zu holen. Es war schon langsam am Eindämmern und wir wussten, dass es, wenn die Sonne untergeht, eisig kalt werden wird. Horst überliess ihm eine 1,5 l Wasserflasche, Ruth fuhr schnellstmöglich zur noch ca. 3 km entfernten Zollstelle. Es kam uns wie eine Ewigkeit vor, die Strasse war schlimmste Waschbrettpiste auf ganzer Breite, wir hatten zudem voll Gegenwind und konnten kaum noch fahren nach über 65 km Rüttelei.
Ruth informierte die Beamten, dass sie jemanden mit dem Auto schicken sollen, um dem Mann zu helfen. Es stellte sich heraus, dass den Beamten nicht einmal ein Fahrzeug zur Verfügung stand. Und sie hatten es überhaupt nicht eilig, schauten lieber den Fussballmatch im Fernseher. Sie stellten uns eines ihrer alten Lager für die Nacht zur Verfügung. Uns liess es keine Ruhe, hörten schliesslich einen LKW draussen. Glücklicherweise waren auch noch Bauarbeiter in der Nähe. So organisierten die Zollbeamten, dass ein Arbeiter den Jungen holte. Er wurde dann bei uns einquartiert und bedankte sich, dass wir Hilfe geholt hatten. Auf der Strasse zum Paso Sico kamen uns nur gerade 2 Fahrzeuge entgegen. Pablo wusste nicht, dass die Nationalstrasse 51 so schwach frequentiert sein würde. Er dachte, er könne nach Chile auf dem kürzesten Weg trampen.
Eine weitere Tagesetappe führte über den über 4'000m liegenden Paso Sico und über hügeliges Gelände bis zum chilenischen Zoll. Die Beamten wollten uns aber nicht bei der Zollstelle übernachten lassen. 7 km weiter soll eine Mine sein, die Zimmer hätten und auch Essen anbieten koennten, erklärten sie uns. Mit letzten Kräften schafften wir es noch bis dorthin und wurden herzlich empfangen, mit Kaffee, Kräckers, Leberstreichwurst, Suppe und Empanadas versorgt. Ca. 1 Std. später erschien auch noch Pablo, er wurde von Franzosen mitgenommen und von einem Grenzbeamten bis zur Mine. Wir freuten uns über das Wiedersehen. Pablo übergab uns am nächsten Morgen einen Brief, den er für uns geschrieben hatte.
In zwei Tagen fuhren wir bei sehr starkem Gegenwind über Socaire nach Toconao und befinden uns nun in San Pedro de Atacama. Der letzte wilde Zeltplatz war traumhaft. Wir hatten Aussicht auf eine ganze Kette voller Cerros und Volcanos in verschiedenen Farben.
Von Antofagasta bis Toconao (8 Tage) konnten wir nirgendwo duschen, wuschen uns dürftig mit Wasser, wenn vorhanden, oder benutzten Hygiene-Feuchttücher.

Manch einer mag sich fragen, warum man sich solche Strapazen überhaupt antut. Es ist eine Herausforderung, durch die Wüsten dieser Länder mit dem Velo zu fahren, Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, und mit einer gewissen Unsicherheit bezüglich Grundversorgung leben zu können. Wir haben bis hierher eine grandiose, aber auch lebensfeindliche Landschaft gesehen und erlebt und wir sind tollen Menschen begegnet.

Nun brauchen wir wieder ein paar Tage zur Erholung. San Pedro kennen wir auch von unserer langen Veloreise durch Amerika. Es ist ein Touristenort in der Atacamawüste, welcher im Februar dieses Jahres von in dieser Region seltenen starken Regenfällen heimgesucht wurde. Die Lehmziegelhäuser litten stark, einige Ortsteile mussten vom Schlamm befreit werden. Überall sind noch die Spuren der Verwüstung zu sehen.
Wir haben uns ein schönes Zimmer in einem Hostel ausgesucht und 'verwöhnen' uns mit Schweizer Pulverkaffee sowie Kuchen (von der Pasteleria Suiza)  :-)

Die weitere Route bis zu unserem Fernziel La Paz in Bolivien haben wir noch nicht festgelegt, jedenfalls wird sie anders verlaufen als die 2 zuhause geplanten Varianten. Leider hat es noch zuviel Wasser auf dem Salzsee von Uyuni, die 4x4 Veranstalter dürfen die beliebte Kaktus-Insel nicht anfahren. Horst hat in San Pedro einen Nerv am Hals 'eingeklemmt' und ist für ein paar Tage sicher nicht fahrbereit.

Für Zahlenmenschen: Inzwischen haben wir mehr als 2'000 km abgespult, mehrheitlich über 3'000 m Höhe, achtmal überfuhren wir die 4'000 m Marke.
Unsere gesamte Ausrüstung, bis auf ein Fotoobjektiv, hat bisher keinerlei Schaden genommen. Das ist gemessen an der schweren Strecke eher ungewöhnlich und ein Glück.

1 Kommentar:

  1. Danke für die tollen Bilder (wunderschön wie immer) und eure Berichte.
    Weiterhin gute, unfallfreie Velofahrt!!!!

    Liebe Grüsse Doha

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