Ziel erreicht !

Wir sind angekommen

Die Nacht in Patacamaya war schlimm. Verkehrslärm, Hundegebell, Geschrei von Menschen hielten uns wach, von Erholung keine Spur. Es war bereits ein Vorgeschmack auf die nicht mehr weit entfernte Millionen-Stadt La Paz. Die Panamericana wird zurzeit von Oruro bis La Paz vierspurig ausgebaut. Teile davon sind bereits geteert oder zumindest gut planiert, aber für den ÖV noch nicht eröffnet. Wir hatten das Glück, dass wir bis El Alto, der Vorstadt von La Paz, auf der neuen Strecke fahren konnten, mussten dabei aber oft die Strassenseite wechseln. Wir merkten bald, dass es mit Ruhe, schöner Landschaft und guter Luft nun vorbei war. Trotzdem wir vom Verkehrsstrom etwas entfernt waren, erreichten uns die schwarzen Dieselwolken der Laster. Nichts von Katalysator oder Abgaskontrolle, die Luft war dermassen schlecht, dass wir unsere Buffs als Filter über Mund und Nase zogen.

Unterwegs hielt plötzlich ein altes Vehikel mit Fahrrädern auf dem Dach und einer wehenden brasilianischen Fahne an. Drei freakige Männer rannten über die Strasse zu Horst. Sie gehören zu einem Team, welches den Adventure Radsport fördert und auch schon einige nicht alltägliche Touren gemacht hat. Sie waren völlig begeistert von unserer Tour. Der Eine war währenddem sich seine Freunde mit uns unterhielten die ganze Zeit am Filmen und Fotografieren. Sie sagten uns, dass sie einen Link unter www.hardbiketour.com im Facebook setzen und Bilder von uns veröffentlichen wollten. Es war eine spontane lustige Begegnung. Mit Gehupe und Winken fuhren sie schliesslich davon.

Je mehr wir uns der Stadt näherten, umso mehr Verkehr und Chaos herrschte. In El Alto war dann das Verkehrschaos perfekt. Nichts ging mehr, wir suchten mit den Velos den Weg durch Kolonnen von stehenden Taxis und Minibussen. Dann erreichten wir auf immer noch über 4'100 m das Wahrzeichen der Indigenas, die Göttin Pachamama (Mutter Erde). Bei diesem standen wir bereits vor sechs Jahren. Man geniesst von dort einen wunderschönen Blick auf die Stadt und die umliegende Bergkette mit den 6'000ern Illimani und Alpamaya. Einem Mann passte unsere Gegenwart bei diesem Wahrzeichen überhaupt nicht. Er fand, dass dies eine heilige Stätte der Indigenas sei und Touristen hier nichts zu suchen hätten, wir sollen gehen. Danach kam ein ganzer Bus mit japanischen Touristen.

Auch in den kleinen bolivianischen Dörfern unterwegs war uns gegenüber eine gewisse Feindseligkeit zu spüren. Wir wurden mit Gringo angesprochen oder Schüler schrien Gringo hinter uns her, und einige wollten Geld.

Auf der Autoschnellstrasse fuhren wir dann (trotz Veloverbot) in den Molloch hinunter auf ca. 3'600 m und quartierten uns in einem einfachen Hotel im Zentrum von La Paz ein. In den letzten Tagen haben wir nicht viel unternommen, lediglich ein paar Spaziergänge, dem  chaotischen Treiben im Zentrum zugeschaut und wieder einmal guten Kaffee und Kuchen genossen. La Paz ist eine vibrierende Stadt mit sehr unterschiedlichen Stadtteilen. Die sichtbare Diskrepanz der Lebensverhältnisse zwischen der weissen und indigenen Bevölkerung ist enorm. Viele Demonstrationen sind hier im Gange und überall sind Sicherheitskräfte präsent. Das Herumfahren mit den Minibussen haben wir schon recht gut im Griff.

Nachdem uns unsere Reise durch sehr viel Wüsten- und einsames Gebiet  geführt hat, fühlen wir uns in diesem Chaos nicht wirklich wohl.

Unsere Velos sind nun verpackt. Morgen werden wir die Heimreise  antreten. Die Tour ist zu Ende. Wir haben 2'650 km zurückgelegt und sind über 26'400 Höhenmeter geklettert. Auf unsere Velos konnten wir uns trotz der sehr schlechten Strassenverhältnisse voll und ganz verlassen, hatten keine einzige Panne.

Es war eine mental und körperlich anstrengende, aber für unser Leben bereichernde Reise. Wir danken allen herzlich, die uns bei unserem Vorhaben mit Rat und Tat und Material unterstützt, uns geschrieben und motiviert haben und in Gedanken bei uns waren. Insbesondere auch Eliane und Werner, die uns zu Hause von den zu erledigenden administrativen Dingen entlastet haben und unserer Nachbarin Monika für die liebevolle Pflege unserer Pflanzen, und natürlich auch den Arbeitskolleginnen bei WP für die Übernahme diverser Aufgaben während Ruths Abwesenheit. Ohne Euch könnte ein solches Unternehmen kaum verwirklicht werden.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Euch. Bis bald!

Stadtleben in La Paz

Letzte Etappe bis La Paz

Nach Bolivien umgeben von 6'000er Vulkanen

Von Parinacota verabschiedeten wir uns bei Eiseskälte. Mit dem aufgepeppten Frühstück durch unsere schlichten Haferflocken waren wir bereit, unsere letzte Passüberquerung zu bewältigen. Ohne uns warmfahren zu können, ging es gleich vom Hostel 150 m und 5 km auf leicht sandiger Piste berghoch. Nicht viel, aber die Kälte und die dünne Luft machten uns das Atmen recht schwierig. Zurück auf der Hauptstrasse, rollte es sich gleich besser. Wir genossen von dort an weiter das Hochplateau des Lauca Nationalparks mit den Lagunen und den Chungará-See, in dem sich der Parinacota-Vulkan spiegelte. Bald war die Grenze zu Bolivien erreicht. Nach der Abfahrt zum Chungará-See mussten wir abermals 150 m steigen. Der Grenzpass Paso Tambo Quemado lag auf 4'660 m. Die Szenerie der uns umgebenen, nicht weniger als vier 6'000er Vulkane sowie weitere schneebedeckte und farbenkräftige Cerros war schlichtweg atemberaubend. Bis zur bolivianischen Grenzstelle in 8 km  Entfernung liessen wir es ordentlich sausen. Auf der schnellen Abfahrt war höchste Konzentration gefragt, verschieden grosse und sehr tiefe Schlaglöcher waren zu umfahren. Die Grenzformalitäten erledigten sich unerwartet einfach und zügig, mussten uns aber danach noch zwischen ein paar Dutzend LKWs hindurchschlängeln, bis wir genüsslich weiter bergabrollen konnten. Nach kurzer Sause bogen wir auf sandige Piste ab. 12  km waren noch  anstrengend bis zum Pueblo Sajama, genannt nach dem höchsten Berg und Vulkan Boliviens. Das Dorf dient als Basis für die Besteigung des über 6'500 m hohen Sajamas. Die nächste Etappe führte zunächst wieder zurück zwischen den typischen Gräsern des Altiplanos, den Horstgräsern :-) (die heissen wirklich so), hindurch zur Hauptstrasse. Hunderte Lamas beäugten uns hier neugierig und fragten sich wohl, was da für komische Gestalten durch ihre Gefilde rutschen. Über 85 km wollten wir heute noch bis zum nächsten Ort fahren, stellten uns auf eher eintönige Altiplanolandschaft ein. Überrascht waren wir jedoch vom abwechslungsreichen Gelände, ein ständiges bergab und bergauf. Es erinnerte uns stark an den Südwesten der USA mit den Redrocks und Canyons, alles einfach in kleineren Dimensionen. Nur die Adobehäuser und die den ganzen Tag noch sichtbaren Vulkane liessen uns wissen, dass wir uns in den Anden befanden. In der von der europäischen Union unterstützen Ortschaft Curahuara de Carangas, die staubigen Gassen werden z. Z. gepflastert, fanden wir ein einfaches Hostal. Von hier waren es nochmals rund 100 km bis nach Patacamaya an der Panamericana. In Anbetracht der Distanz hatten wir einen leichten Zacken zu hohes Tempo drauf. Wir wollten unbedingt im Hellen ankommen, um nicht im Dunkeln Übernachtung suchen zu müssen, in der grausam von Abgasen verpesteten hässlichen Kleinstadt. Das rächte sich für Ruth, sie war ziemlich ausgepowert. Das Abendessen in einem der vielen Strassen-Fressbuden (sorry) war für unsere heutigen Bedürfnisse recht spartanisch, so kauften wir uns noch Bananen, Brötchen und einen Fruchtsoyasaft für die Depotauffüllung.

Von Putre bis Patacamaya

Durch die Nationalparks Lauca und Sajama

Parinacota, das kleine Andendorf mit nur 11 Einwohnern

Von Putre stiegen wir 1'000 m und erreichten das Plateau des Lauca Nationalparks. Eine traumhafte Berglandschaft mit den weissen Gipfeln der Vulkane Parinacota und Pomerape eröffnete sich vor uns. Die Berge spiegelten sich in den zahlreichen Lagunen, in welchen Flamingos Nahrung suchten. Herden Vicuñas und Lamas, Viscaças und verschiedene Vogelarten beobachteten wir dort. Und zu unserer Freude segelten drei Condore am Himmel, was man nur sehr selten erleben kann. Sie verschwanden so schnell wie sie kamen. Darum gelang uns keine Nahaufnahme dieser Segler mit einer Flügelspannweite von über 3 Metern.

Im 11 Seelendorf Parinacota, einem 4 km von der Hauptstrasse abgelegenen Bergdorf, machten wir halt. Es ist ein kleines Paradies inmitten dieser wunderschönen Landschaft und es gibt dort sogar einen Dorfplatz, eine weissgetünchte aus Adobe-Ziegeln gebaute Kirche mit Strohdach und zu unserer Überraschung ein Hostel namens Don Leo. Viele Häuser schienen verlassen zu sein. Auf 4'400 m wird es nachts zu dieser Jahreszeit minus 12 Grad. Die Räume im Hostel hatten keine Heizung, um 7 Uhr morgens war es 5 Grad. Wir waren die einzigen im Hause.  Auf jedem Bett hatte es mindestens 3 dicke, schwere, einem fast erdrückende Wolldecken. Wir schliefen in der zweiten Nacht in unseren Exped-Schlafsäcken. Der Host war nicht sehr gesprächig und machte leider eher einen frustrierten Eindruck. Dies beeinträchtigte unseren Aufenthalt negativ, wir fühlten uns nicht wohl in seiner Gegenwart. Widerwillig erhielten wir während des Frühstücks noch je ein Brötchen mehr, als wir danach fragten. Auch das Abendessen war von der Menge her für uns schlicht zu wenig, sagen wir mal Kinderportion. Wegen der Höhe soll man nicht zu üppige Portionen essen. Für uns genügte dies nach den anstrengenden Tagesetappen aber nicht. Gegen Höhenkrankheit tranken wir sehr bekömmlichen Mate de Coca-Tee. Cocablätter (mit dieser Pflanze wird Kokain hergestellt) konnte man bereits in Chile kaufen. Der Anbau der Cocapflanze ist in gewissen Andenländern verboten. Deshalb ist es ratsam, die Blätter nicht im Gepäck über die Grenze zu nehmen. Die Indigenas nutzen die Blätter seit jeher gegen Höhenkrankheit und als Heilmittel.

Von Parinacota bis zur bolivianischen Grenze sind es nur noch 30 km.