Valle de la Luna und Wüstenimpressionen

Wir sind in Calama

Von San Pedro aus unternahmen wir mit dem Velo an einem späten Nachmittag einen Ausflug ins ca. 7 km entfernte Valle de la Luna. Wenn es eindunkelt, verfärben sich die salzgepuderten Felsen wunderschön in orange und violette Töne.
Nun sind wir bereits in Calama, 100 km nordwestlich von San Pedro. Haben diese Strecke bei Hitze und recht starkem Gegenwind in einem Tag zurückgelegt. Es ist eine quirlige Stadt und für uns guter Versorgungsort. Wie in vielen chilenischen Städten fällt uns hier das grosse Hundeelend auf. Unzählige dieser armen Kreaturen vegetieren vor sich hin, liegen auf den Strassen, vor den Geschäften unter den Autos. Es ist ein trauriger Anblick. Zurzeit sind wir damit beschäftigt, eine Busverbindung Richtung Bolivien zu finden. Denn die Strecke Calama-Ollague fuhren wir bereits vor 6 Jahren mit dem Velo. Mal sehen, wie es weitergeht...

Nach Chile über den Paso Sico

In einem Tag wollten wir die von Pocitos ca. 70 km entfernte argentinische Zollstelle erreichen, die nächste "Wasserquelle" für uns. Es brauchte viel Energie wegen der zum Teil schlechten Strasse, war aber landschaftlich sehr reizvoll. Von weitem sahen wir schon die Zollstelle, aber es war erfahrungsgemäss schwierig, die Distanz abzuschätzen. Jedenfalls konnten wir in der Ferne einen schwarzen Punkt ausmachen, der uns näher zu kommen schien. Erst dachten wir, dass es ein Velofahrer sei. Nein, es war ein junger Argentinier, der sich am Strassenrand auf die Steine setzte. Als wir endlich bei ihm ankamen, stellten wir fest, dass er in Not war. Er stotterte mit ausgetrocknetem Mund mit weissen Rändern zu uns, er sei über 15 km in der Sonne zu Fuss gegangen. Sein Rucksack lag einige Meter entfernt auf der Strasse. Er war erschöpft, hatte zuwenig Wasser dabei und konnte nicht mehr weitergehen. Er bat uns, beim Zoll Hilfe zu holen. Es war schon langsam am Eindämmern und wir wussten, dass es, wenn die Sonne untergeht, eisig kalt werden wird. Horst überliess ihm eine 1,5 l Wasserflasche, Ruth fuhr schnellstmöglich zur noch ca. 3 km entfernten Zollstelle. Es kam uns wie eine Ewigkeit vor, die Strasse war schlimmste Waschbrettpiste auf ganzer Breite, wir hatten zudem voll Gegenwind und konnten kaum noch fahren nach über 65 km Rüttelei.
Ruth informierte die Beamten, dass sie jemanden mit dem Auto schicken sollen, um dem Mann zu helfen. Es stellte sich heraus, dass den Beamten nicht einmal ein Fahrzeug zur Verfügung stand. Und sie hatten es überhaupt nicht eilig, schauten lieber den Fussballmatch im Fernseher. Sie stellten uns eines ihrer alten Lager für die Nacht zur Verfügung. Uns liess es keine Ruhe, hörten schliesslich einen LKW draussen. Glücklicherweise waren auch noch Bauarbeiter in der Nähe. So organisierten die Zollbeamten, dass ein Arbeiter den Jungen holte. Er wurde dann bei uns einquartiert und bedankte sich, dass wir Hilfe geholt hatten. Auf der Strasse zum Paso Sico kamen uns nur gerade 2 Fahrzeuge entgegen. Pablo wusste nicht, dass die Nationalstrasse 51 so schwach frequentiert sein würde. Er dachte, er könne nach Chile auf dem kürzesten Weg trampen.
Eine weitere Tagesetappe führte über den über 4'000m liegenden Paso Sico und über hügeliges Gelände bis zum chilenischen Zoll. Die Beamten wollten uns aber nicht bei der Zollstelle übernachten lassen. 7 km weiter soll eine Mine sein, die Zimmer hätten und auch Essen anbieten koennten, erklärten sie uns. Mit letzten Kräften schafften wir es noch bis dorthin und wurden herzlich empfangen, mit Kaffee, Kräckers, Leberstreichwurst, Suppe und Empanadas versorgt. Ca. 1 Std. später erschien auch noch Pablo, er wurde von Franzosen mitgenommen und von einem Grenzbeamten bis zur Mine. Wir freuten uns über das Wiedersehen. Pablo übergab uns am nächsten Morgen einen Brief, den er für uns geschrieben hatte.
In zwei Tagen fuhren wir bei sehr starkem Gegenwind über Socaire nach Toconao und befinden uns nun in San Pedro de Atacama. Der letzte wilde Zeltplatz war traumhaft. Wir hatten Aussicht auf eine ganze Kette voller Cerros und Volcanos in verschiedenen Farben.
Von Antofagasta bis Toconao (8 Tage) konnten wir nirgendwo duschen, wuschen uns dürftig mit Wasser, wenn vorhanden, oder benutzten Hygiene-Feuchttücher.

Manch einer mag sich fragen, warum man sich solche Strapazen überhaupt antut. Es ist eine Herausforderung, durch die Wüsten dieser Länder mit dem Velo zu fahren, Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, und mit einer gewissen Unsicherheit bezüglich Grundversorgung leben zu können. Wir haben bis hierher eine grandiose, aber auch lebensfeindliche Landschaft gesehen und erlebt und wir sind tollen Menschen begegnet.

Nun brauchen wir wieder ein paar Tage zur Erholung. San Pedro kennen wir auch von unserer langen Veloreise durch Amerika. Es ist ein Touristenort in der Atacamawüste, welcher im Februar dieses Jahres von in dieser Region seltenen starken Regenfällen heimgesucht wurde. Die Lehmziegelhäuser litten stark, einige Ortsteile mussten vom Schlamm befreit werden. Überall sind noch die Spuren der Verwüstung zu sehen.
Wir haben uns ein schönes Zimmer in einem Hostel ausgesucht und 'verwöhnen' uns mit Schweizer Pulverkaffee sowie Kuchen (von der Pasteleria Suiza)  :-)

Die weitere Route bis zu unserem Fernziel La Paz in Bolivien haben wir noch nicht festgelegt, jedenfalls wird sie anders verlaufen als die 2 zuhause geplanten Varianten. Leider hat es noch zuviel Wasser auf dem Salzsee von Uyuni, die 4x4 Veranstalter dürfen die beliebte Kaktus-Insel nicht anfahren. Horst hat in San Pedro einen Nerv am Hals 'eingeklemmt' und ist für ein paar Tage sicher nicht fahrbereit.

Für Zahlenmenschen: Inzwischen haben wir mehr als 2'000 km abgespult, mehrheitlich über 3'000 m Höhe, achtmal überfuhren wir die 4'000 m Marke.
Unsere gesamte Ausrüstung, bis auf ein Fotoobjektiv, hat bisher keinerlei Schaden genommen. Das ist gemessen an der schweren Strecke eher ungewöhnlich und ein Glück.

Fahrt von Pocitos nach San Pedro de Atacama

Bis Pocitos

230 km ist die Strecke von Antofagasta nach Pocitos. Wir rechneten mit 4 Tagen, um dort anzukommen, mussten wir doch wieder auf 4'400m steigen. Dirk unternahm von Antofagasta aus eine kleine Tour von ca. 30 km ohne Gepäck in diese Richtung und deponierte für uns 2 Flaschen Wasser in einer Steinhöhle. Dies war für uns sehr hilfreich, hatten wir doch schon recht viel Esswaren zu schleppen für mindestens 5 Tage. Am Tag nachdem wir Antofagasta verliessen, überholte uns ein PW. Die zwei Männer bestellten uns Grüsse von Gaston, dem Fahrer des 4x4, mit welchem wir die Touren unternommen hatten, und gaben uns 2 Flaschen Wasser. Das war super. Wir wussten, dass wir damit wieder genug Wasser hatten und nicht auf die Lithiummine angewiesen sein werden, wo wir sonst hätten Nachschub holen müssen, die aber einige km von unserer Strasse entfernt war. Die Strecke nach Pocitos war nicht so  einfach zu fahren, wie wir gedacht hatten. Es kamen auch noch ca. 20 zusätzliche km dazu, weil die Piste über den Salar del Hombre Muerto (Salzsee des toten Mannes) einem frisch gepflügten und gefrorenen Acker glich und nicht fahrbar war. Doch wir schafften es in 3 1/2 Tagen. Unterwegs wurden wir von den Gasoducto-LKWs (Gasflaschentransporter für die Lithiumminen) mit Staubwolken eingenebelt. Wir wechselten oft die Strassenseite, je nachdem, wie der Wind blies. Unsere Ausrüstung und wir selber waren vollgestaubt, die Veloketten dermassen vom Sand trocken. Sie rasselten nur noch trotz kurzer Pflegeintervalle. Wir hatten uns wie schon so oft  in anderen Dörfern Vorstellungen gemacht, zu duschen und die Velos zu reinigen. Die Velos und Taschen konnten wir zwar bei der Sanitätsstelle in Pocitos mit einem Schlauch einigermassen vom Staub befreien, an eine Dusche war nicht zu denken, die sanitären Anlagen waren dermassen versifft, dass wir keine Lust verspürten, uns in diesen Räumen aufzuhalten. Der freundliche Mann vom Puesto Sanitario (Sanitätsposten) bot uns Betten im Haus an, damit wir nicht im Zelt draussen übernachten mussten und stellte für uns einen Musikrecorder ans Fenster und liess unzählige Hits der vergangenen Jahre spielen. Die Musik erhellte die Stimmung in diesem verstaubten, armseligen Dorf. Die Matratzen der Betten waren so krumm wie Hängematten. Die Vorstellung, sich in diesem Haus notfallmässig behandeln lassen zu müssen, lässt einem erschaudern, von Hygiene keine Spur. Es ist unglaublich, in welchen ärmlichen Verhältnissen die Menschen dort leben. Daneben befindet sich die Anlage der reichen Kanadierfirma der Lithiummine. In Pocitos hatten wir Glück, dass wir von einem alten klapprigen LKW, welcher ca. alle 14 Tage den Ort mit den nötigsten Lebensmitteln versorgt, unsere Vorräte aufstocken konnten, für die nächsten 4 bis 5 Tage bis zur ersten Siedlung in Chile nach dem Grenzpass Paso Sico.

4x4 Touren ins Vulkangebiet der Region Catamarca

Von Villa Vil bis Antofagasta de la Sierra

Nach der Nacht der Vampire, nach welcher wir natürlich nicht gerade erholt aufs Velo stiegen, deckten wir uns mit Lebensmitteln und viel Wasser ein. Einfach war es nicht, einzukaufen, denn viel Auswahl hatte es in den kleinen Tiendas in den Dörfern nicht. Oftmals haben die Besitzer auch kein Kleingeld und geben einem einfach Süssigkeiten als Rückgeld. Da wir nicht wussten, wie weit wir wegen der zum Teil schlechten Strassenverhältnisse und starker Winde kommen werden, mussten wir immer für ein paar Tage Vorrat dabei haben, Dinge, die bei der ständigen Sonneneinstrahlung nicht schlecht werden.
El Peñon ist ein aufstrebender Ort. Es wird viel gebaut. Hoffnung besteht, sich vom ca. 69 km entfernten Antofagasta de la Sierra etwas vom Kuchen abzweigen zu können. Es werden 4x4 Touren zu den Piedra Pomez (spezielle weiss-hellgraue Felsformationen) und in das wunderschöne Vulkangebiet der Region Catamarca mit den Salzseen und farbigen Lagunen angeboten. Bereits gibt es auch schon ein überteuertes Hotel nach unserem Standard im Ort. Wir wollten die Einheimischen unterstützen, nahmen uns ein Zimmer in einem  Hostel im Dorf. Dieses ist noch im Bau, einfache Zimmer mit warmer Dusche stehen aber bereits zur Verfügung. Das Preisniveau im Verhältnis zu anderen Unterkünften war aber zu hoch. Wir hatten den Eindruck, dass der Besitzer uns als Europäer abzocken wollte.
Am gleichen Abend traf Dirk in El Peñon ein, was wir wussten, weil wir ihn in Belen trafen. Wir besuchten ihn im Hotel. Da er keine Camping- und Kochausrüstung dabei hat, muss er seine Etappen so planen, dass er am Abend immer irgendwo eine Unterkunft hat. Entsprechend hat er auch nicht so viel Gewicht wie wir am Velo und kann längere Etappen fahren.
Zusammen mit Dirk fuhren wir am nächsten Tag nach Antofagasta de la Sierra. Die Fahrt war traumhaft schön, führte uns vorbei an farbigen Vulkanen und einer Lagune an welcher sich Flamingos tummelten. Antofagasta ist bekannt für die Lamazucht.
In Antofagasta de la Sierra legten wir wieder ein paar Tage Pause ein. Wir wollten die 2. Überquerung der Anden, um über den Paso Sico wieder nach Chile zu gelangen, gut planen, denn es gab sehr widersprüchliche Aussagen bezüglich möglicher Gelegenheiten für Wassernachschub, was für uns auf der ganzen Reise bisher immer ein dominierendes Thema war.
Die Vulkanlandschaft in dieser Region ist so grandios, dass wir uns entschlossen, 2 eintägige organisierte 4x4 Touren zu unternehmen.
In Antofagasta haben wir wieder Energie aufgetankt, es war ein guter Ort zum Relaxen. Viele Touristen sahen wir nicht. Wir wunderten uns sowieso, wie wenig Fahrzeuge uns auf der Strasse dahin überholten. Auch zu essen gab es wieder einmal etwas "Rechtes", Suppe, Fleisch, Empanadas, mmmhhh, und dazu ein feines Bier.

Unterwegs nach Antofagasta de la Sierra

Tinogasta bis Villa Vil

Knapp 70 km ist die Strecke von Tinogasta nach Londres über die Questa de Zapata. Auf den ersten km fuhren wir an der Müllhalde am Stadtrand von Tinogasta vorbei, ein schreckliches Bild und entsprechend auch der Geruch. Die Leute verbrennen ihren Abfall einfach in der Natur. Menschen suchen sich im Abfall noch etwas Verwertbares und streunende Hunde "ernähren" sich aus den Überbleibseln. Wir waren froh, als wir dieses Gebiet hinter uns hatten und sich vor uns die schöne Landschaft mit riesigen Kakteen zeigte. Am gleichen Tag erreichten wir Londres. Diesen Ort kannten wir bereits von unserer 2-jährigen Amerikareise vor 6 Jahren. Wir lechzten nach einem kühlen Getränk. Im Laden beim Plaza gab es nur Fanta und Cola. Egal was, einfach etwas Kaltes musste her. Und glücklicherweise gab es am Plaza auch eine Hospedaje, die Oma im Nachthemd gab uns ein paar Zimmerschlüssel, wir sollen doch einfach mal ausprobieren, welcher Schlüssel zu dem uns angebotenen Zimmer passt. Der Zeltplatz war für uns an diesem Abend keine Option, eine Dusche und ein Bett wünschten wir uns einfach nur noch und etwas zu essen, was wir nicht selber zubereiten mussten. Strom gab es im Ort bei unserer Ankunft nicht. Mit unseren Stirnlampen leuchteten wir uns den Weg durch die Gemäuer. Zum Abschluss des Tages gab es im Comedor nebenan frische Empanadas mit Hähnchenfüllung.
Von Londres nach Belen konnten wir wieder einmal auf Asphalt rollen, welch eine Wohltat! In Belen trafen wir Dirk aus Belgien im Tankstellenshop YPF. Ihn hatten wir schon bei der Abfahrt des Paso San Francisco in einem 5-Sterne-Hotel kennengelernt. Er war einziger Kunde im Hotel (das Hotel ist überdimensioniert und eine Fehlplanung in dieser Region, es hat kaum Tourismus), musste sich wegen Höhenkrankheit ein paar Tage dort aufhalten. Für uns war das Hotel die nächste Wassernachschubstelle.
Die Tage seit Fiambala waren fast unerträglich heiss. Deshalb machte es uns auch nicht an, uns in Thermalquellen, welche es zahlreiche zwischen Fiambala und Belen gibt, aufzuhalten.
Von Belen bis zum kleinen Dorf Villa Vil war die Strasse noch geteert, danach wurde sie zu einer Staubpiste. Bei der Polizeistation erhielten wir vom Polizisten in Trainerhose ein paar Infos, wo es was im Ort gibt. Die Schüler schauten uns an, als ob wir von einem anderen Stern kämen. Schliesslich bezogen wir vis à vis des Schulhauses ein Zimmer. Wir verbrachten eine fürchterliche Nacht in diesem Haus. Schnell stellten wir fest, dass sich x Vampire in Form von Mücken unter den Betten und in jeden Winkel aufhalten. Über eine Std. waren wir damit beschäftigt, die Biester zu killen, aber immer wieder summte es um unsere Ohren. Schliesslich gaben wir uns geschlagen und wussten, dass uns die blutdrünstigen Wesen in der Nacht attackieren werden. In der Dusche hatte ich beim Aufdrehen des Warmwasserhahns den metallenen Drehknopf in der Hand. Mit unserer Velo-Kombizange drehten wir den Wasserhahn auf und zu. Auch die Klinke der Zimmertür blieb in meiner Hand, als ich die Tür schliessen wollte. Die WC-Spülung wollte nicht mehr aufhören zu spülen, das Wasser lief die ganze Nacht. Der Kühlschrank in der Küche war auch nicht wirklich appetiterregend :-)